Corona-(Miss-)Management: Setzt endlich agile Projektleiter:innen ein
Die Liste der Regierungsberater:innen im Kontext CORONA ist lang. Da gibt es Virologen:innen, Epidemiologen:innen, Immunologen:innen (wenn es die gäbe, sicherlich auch Pandemiologen:innen) Verkehrsexperten:innen, Juristen:innen, Medien-experten:innen, Industrielle, Banker, und viele andere mehr. Nur eine Berufsgruppe suche ich vergeblich: Agile Projektleiter:innen.
Um es vorwegzunehmen: Ich gehöre keiner politischen Partei an und ich möchte in den jetzigen Zeiten definitiv kein Ministerpräsident oder Gesundheitsminister sein, egal ob auf Bundes- oder Länderebene. Never.
Eine Pandemie zu bekämpfen ist nicht ganz einfach. Im Gegensatz zu beispielsweise einer Epidemie, die zwar häufig kompliziert ist aber die man relativ gut behandeln kann, ist eine Pandemie komplex, weil sie mehrere Länder, manchmal sogar ganze Kontinente mit vielen Beteiligten und Betroffenen betrifft.
Zu Erinnerung: Kompliziert ist der Grad des Bekannten. Die Reparatur einer alten Standuhr ist für den Hobby-Handwerker kompliziert, für den Uhrmacher wohl kein Problem, den er / sie hat dies gelernt. Komplexität ist der Grad des Unbekannten. Zu Columbus-Zeiten war die Fahrt nach Amerika ziemlich komplex, denn es gab viele unbekannte Faktoren, die auf diese Reise Einfluss nehmen konnten. Die Gefahr zu scheitern war recht groß. Heute ist eine Fahrt nach Amerika per Schiff keine große Herausforderung mehr, die Fahrt der „Perseverance“ (wir erinnern uns: so heißt der Mars-Roboter) dagegen schon. Ob so eine Reise in 100 Jahren dagegen einfach sein wird, werden wir aktuell Lebenden vermutlich nicht mehr erfahren.
Kennen Sie das von Ihren Projekten?Es werden Ziele definiert, die etwas später wieder verworfen werden.
- Entscheidungsträger sitzen stundenlang in Meetings zusammen und diskutieren, aber es werden keine Fachleute hinzugezogen.
- Die Sitzungsteilnehmer*innen kommen nach stundenlangen Sitzungen zu einem mehr oder weniger gutem Konsens, der eher an einen faulen Kompromiss erinnert.
- Es werden konkrete Qualitätskriterien definiert. Wenn diese nicht erreicht werden, werden nicht die Qualitäten verbessert sondern die Kriterien werden abgeschwächt.
- Eine Ereignis-Maßnahmen-Korrelation (wenn ….., dann …..) wird festgelegt. Wenn das Ereignis allerdings eintritt, dann ……. greifen nicht die zuvor vereinbarten Maßnahmen sondern man findet „Aufweichungsgründe“, dass man die Maßnahmen nicht umsetzen muss.
- Es werden viele Maßnahmen durchgeführt, um Statistiken für einen Bericht zu erstellen, aber die das originäre Problem nicht lösen.
Vergleicht man diese Projekt-Erfahrungen mit dem aktuellen CORONA-Management, findet sich erschreckend viele Parallelen.
Die im Rahmen von COVID-19 diskutierten Maßnahmen hören sich an, als würden sie auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Tatsächlich aber sind diese Maßnahmen schon uralt.
Bereits 1347 haben einige clevere Italiener erkannt, dass die Pest irgendwie mit zwischenmenschlichen Kontakten zu tun hat. Seefahrer durften 40 Tage ihr Schiff nicht verlassen. (Übrigens: Das Wort „Quarantäne“ kommt vom italienischen quaranta = 40) Außerdem schlossen die Behörden Theater und Tanzhäuser und Infizierte nebst Mitbewohner wurden in ihren Häusern eingeschlossen.
https://www.msn.com/de-at/nachrichten/wissenundtechnik/%C3%BCberraschende-fakten-%C3%BCber-pandemien-damals-und-heute/ss-BB152uxP#image=10
Ein interdisziplinäres Forschungsteam hat kürzlich festgestellt, dass bei der Spanischen Grippe die Behörden zunächst zögerlich agierten und keine zentralen Vorgaben gemacht wurden. Somit verlief die erste Welle viel stärker, dauerte länger und endete fatale. Später griffen Behörden konsequenter durch und Schulen und Theater wurden geschlossen, Gottesdienste verboten und es gab eine Maskenpflicht. Leider wurden Demonstrationen von streikenden Arbeitern erlaubt und anschließend das Versammlungsverbot gelockert. Daraufhin erfolgte ein drastischer Anstieg von Erkrankungen und Todesfällen bei der zweiten Welle.
https://www.n-tv.de/wissen/Was-man-von-der-Spanischen-Grippe-lernen-kann-article22349355.html
Statt einfach mal aus der Vergangenheit zu lernen, haben noch im April 2020 Experten der WHO und vom Bundesamt für Gesundheit BAG daran gezweifelt, ob Masken überhaupt einen Effekt haben.
https://www.20min.ch/story/selbst-einfache-masken-halten-coronaviren-zurueck-698120388138
Es ist doch nicht neu, dass die Menschheit mit komplexen Situationen umgehen muss. Die amerikanischen Universitätsprofessoren Warren Bennis und Burt Nanus haben sich intensiv mit diesem Problem beschäftigt und 1985 beschrieben, wie sich verschiedene externe Faktoren auf Organisationen (sowohl auf Unternehmen als auch z.B. auf das Militär) auswirken. Das Ergebnis dieser Forschung lautet VUCA .
„VUCA ist ein Akronym (Kunstwort) und steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. …. Zu Beginn der 1990er Jahre war VUCA die Antwort des US Army War College auf den Zusammenbruch der UdSSR. Durch den Wegfall des „Ostblocks“ als „der eine Feind“, ging es darum, neue Sicht- und Reaktionsweisen unter den Bedingungen von Flüchtigkeit, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit zu finden und umzusetzen.“
https://www.vuka-welt.de/
Eine wesentliche Erkenntnis aus diesen Forschungen besagt, dass in komplexen Situationen ein standardisiertes Vorgehen keinen Sinn macht. Der Mensch als Individuum mit all seiner Kreativität und Selbständigkeit steht im Vordergrund. Statt singulärem Handeln ist die Teilhabe wichtig, gepaart mit einem hohen Maß an Transparenz und offener Kommunikation. Dieses Handeln orientiert sich an gemeinsamen Zielen, basierend auf einer abgestimmten Vision. Es muss Vertrauen aufgebaut werden, dass Entscheidungsträger vor Ort situationsbedingt selbständig die richtigen Maßnahmen einleiten können. Flexibles Reagieren ist wichtiger als lineares Handeln oder unreflektiertes Umsetzen von Maßnahmen, deren Sinnhaftigkeit man nicht versteht. Statt langfristig orientierte Planung sind ein iteratives Umsetzen hilfreich, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können.
Bei agilen Methoden kennen wir das „Time-Boxing“. Kurze Meetings, strukturiert und finalisiert. Doch statt Strategie- oder Abstimmungs-Meetings werden „Verhandlungen“ geführt. „Eine Verhandlung ist eine Diskussion zwischen mehreren Personen, die das Ziel verfolgt, unterschiedliche Meinungen oder einen Disput zu lösen oder die Bedingungen eines Abkommens oder einer geplanten Transaktion festzulegen.“ https://www.onpulson.de/lexikon/verhandlung/
https://karrierebibel.de/10-bis-12-regel/
Auch die Teilnehmergröße spielt eine entscheidende Rolle. Neben Kanzlerin und den 16 Länderchefs:innen dürften Staatssekretäre:innen und Experte:innen daran teilnehmen. Ich schätze mal, da kommen schnell 25-30 Personen zusammen. Auch hier hätte man mal Jeff Bezos fragen sollen. „Er ist überzeugt, dass kleinere Gruppen effizienter sind und sich leichter moderieren lassen, wie er in einem Talk des „Economic Club of Washington“ verriet. Seiner Meinung nach sollten nur so viele Personen in einem Meeting sitzen, dass diese von zwei Pizzen satt werden. …

Eine Erfahrung, die nicht nur Jeff Bezos gemacht hat. Eine Stanford-Studie zeigte vor einigen Jahren, dass jene Meetings am produktivsten waren, die um die sieben Teilnehmer hatten, „plus oder minus zwei“. Sprich: zwischen fünf und neun Personen.
Da wären wir also bei der richtigen Größe, die auch für SCRUM-Meetings empfohlen wird.
Was könnte man tun?
– Die Ministerkonferenz erarbeitet eine Vision und stimmt diese mit dem Bundestag ab
– Das Infektionsschutzgesetz wird angepasst mit dem Ziel, bundeseinheitliche und verbindliche Leitplanken zu setzen
– Eine Task-Force mit einer agilen Projektleitung erarbeitet die strategischen Ziele
– Die Bundesländer ggf. sogar Kommunen erarbeiten jeweils die Strategien zur Erreichung der Ziele
– Ein agiles Projekleiter-Team koordiniert die Maßnahmen
– Ein Team von SCRUM-Mastern begleitet die Umsetzung
– Auf regelmäßigen Meetings (Daily-Scrums) werden die Maßnahmen synchronisiert
– Ein Medien-Team steuert die Kommunikation
Fazit: Agile Projektleiter:innen würden die Pandemie nicht verhindern, aber die Bürgerinnen und Bürger würden eine belastbare Struktur erkennen, hätten mehr Vertrauen in die erforderlichen Maßnahmen und würden die Notwendigkeit verstehen, manche Handlungen nicht mehr durchzuführen.
Wenn Sie wissen möchten, wie agile Methoden und Strukturen in Ihren Unternehmen sinnvoll einzusetzen sind, sprechen Sie mich an.
Bleiben Sie gesund!
Ihr
Wolfram M. Walter
walter@werk57.de
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