Stell dir vor es gibt Büros und keiner geht hin

Aus AHA wurde AHALA und jetzt AHALAH: Unternehmen können auf Home-Office nicht mehr verzichten

Nein, es werde nicht alle Büros abgerissen. Auch in Zukunft werden Unternehmen über Bürogebäude verfügen, Aber es ist legitim zu hinterfragen, warum man für wenig genutzte Bürofläche jeden Monat so viel Geld an den Vermieter überweisen muss und stattdessen nicht besser in Home-Office-Infrastruktur investieren sollte. Doch warum fällt es vielen Organisationen so schwer, Home-Office als eine „weitere normale“ Variante zu akzeptieren? Glaubt man wirklich, nach CORONA ist der ganze Spuk vorbei und wir machen weiter wie zuvor? 

Gem. dem Robert-Koch-Institut spricht man immer dann von einer Pandemie, wenn eine Epidemie nicht mehr lokal begrenzt ist, sondern das Problem weltweit existiert. „Eine Influenzapandemie wird durch ein neuartiges Influenzavirus verursacht, das in der Lage ist, schwere Erkrankungen hervorzurufen und sich gut von Mensch zu Mensch zu verbreiten. Da dieser neue Erreger zuvor nicht oder sehr lange nicht in der menschlichen Bevölkerung vorgekommen ist, ist das Immunsystem nicht vorbereitet und daher auch nicht geschützt.“
(https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Pandemie/FAQ18.html)

 

Wer glaubt, Pandemien seien eine Zivilisationserscheinung, täuscht sich. Forscher der Abteilung für Archäogenetik am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena  haben gemeinsam mit einem internationalen Team Gräber der sogenannten Jamnaja-Kultur untersucht, die vorwiegend aus der Zeit von vor 3600 bis 2300 v. Chr. Stammen. Sie haben dabei eine frühe Form des Pestbakteriums entdeckt. „Der bislang älteste Nachweis von Yersinia pestis ist rund 4900 Jahre alt und stammt aus einem Grab im russischen Nordwestkaukasus. Weitere, nur unwesentlich jüngere Spuren des Erregers fanden die Forscher im Altai-Gebirge, sie sind 4800 Jahre alt.“
(https://www.spektrum.de/news/die-erste-pandemie-der-menschheitsgeschichte/1750058)

 Ein Blick in eine Pandemie-Übersicht zeigt: Im letzten Jahrhundert musste die Gesellschaft einige  Pandemien über sich ergehen lassen.

Auch in Zukunft wird es Pandemien geben. Zumindest ist dies die Meinung des Biodiversitätsrats (IPBES) der Vereinten Nationen. Man geht davon aus, dass in der Tierwelt bis zu 1,7 Millionen unentdeckte Viren schlummern.

Dieselben menschlichen Aktivitäten, die den Klimawandel und die Verluste bei der Ar­ten­vielfalt verursachen, erhöhen auch das Pandemierisiko …Es gebe bei Tieren bis zu 850.000 Viren, die wie das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 auf Menschen überspringen könnten, sagte Daszak. Pandemien seien eine „existenzielle Bedrohung“ für die Menschheit“
(https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/117877/Pandemien-werden-in-Zukunft-haeufiger-auftreten)

Also sollten wir spätestens jetzt aus den Erfahrungen der letzten Monate die richtigen Rückschlüsse ziehen und die richtigen Fragen stellen, wie wir uns auf die Zukunft vorbereiten und Arbeit organisieren können. Ein wesentliches Element dabei ist Home-Office. Zu Beginn der COVID19-Pandemie wurden nicht nur einige Maßnahmen auf den Weg gebracht sondern die Bundesregierung versuchte auch, durch griffige Slogan- und Marketing-Kampagnen die Gesellschaft auf Kurs zu bringen:„Im Mittelpunkt steht die AHA-Formel – das heißt: Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmaske (Mund-Nasen-Bedeckung) tragen. In Herbst und Winter, wenn wir uns vermehrt in geschlossenen Räumen aufhalten, ist auch das regelmäßige Lüften sehr wichtig. Ein weiteres A soll an die Corona-Warn-App erinnern – eine App, die Nutzerinnen und Nutzer über Kontakte zu infizierten Personen informiert.“
(https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/alltag-in-zeiten-von-corona.html)

Durch Home-Office kommt noch ein „H“ dazu, sodass wir in Zukunft von AHALAH sprechen können. Dass das Büro ein Ansteckungs-Hotspot ist, dürfte hinreichend bekannt sein. Nur wenige Mitarbeiter*innen verfügen über Einzelbüros und der 1,5m-Abstand dürfte schon räumlich schwer einzuhalten sein. Auch ist die Vorstellung, im großen Sitzungsaal der Geschäftsführung Spuckschutzwände aufzubauen, recht amüsant.

Im Frühjahr haben die Unternehmen schnell aufgerüstet und Home-Office-Arbeitsplätze eingerichtet. Die Technik stand dabei im Vordergrund, die IT-Abteilungen haben rund um die Uhr gearbeitet. Die Unternehmen, die sich zuvor schon mit agilen Methoden und Strukturen beschäftigt hatte, spürten schnell die großen Vorteile dieser Arbeitsweise. Die Führungskräfte, die bis dato keine Berührungspunkte zu Agilität, New Work etc. hatten, dürften einige Selbstzweifel und schlaflose Nächte erlebt haben. Dabei hat sich die größte Sorge, nämlich ein Produktivitätseinbruch, nicht bestätigt:

Aufbauend auf diesen Erfahrungen haben sich die Politiker und Gesundheitsexperten gewundert, warum nun im Herbst die Busse und Bahnen wieder so stark frequentiert wurden. Die Hans-Böckler-Stiftung hat im Juni 2020 eine Online-Befragung in Auftrag gegeben, an der sich 6309 Erwerbstätige beteiligt haben. Demnach hat Corona das mobile Arbeiten maßgeblich verändert. Erstaunlich oder besser erschreckend ist allerdings das Ergebnis, dass man im Herbst ziemlich stark zurückgeschraubt hat.

 „Ende Juni 2020 arbeiteten rund 16 Prozent der Befragten in unserer repräsentativen Befragung unter Beschäftigten überwiegend oder ausschließlich zu Hause. Weitere 17 Prozent gaben an, abwechselnd im Betrieb oder zu Hause zu arbeiten. Der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice ist damit deutlich höher als vor Ausbruch der Pandemie, als nur 4 Prozent überwiegend oder ausschließlich zu Hause arbeiteten. Noch höher als zuletzt war der Anteil allerdings mit 27 Prozent im April 2020, also kurz nach Beginn der Coronakrise in Deutschland.

Überraschend gering ist die Nutzung des Homeoffice hingegen im November 2020 ausgefallen, also im Zeitraum des „Lockdown Light“. Nur 14 Prozent der befragten Erwerbstätigen gaben an, überwiegend oder ausschließlich Zuhause gearbeitet zu haben, obwohl die Politik an die Arbeitgeber appelliert hatte, mobile Arbeit flächendeckend möglich zu machen.“
https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-Auf-einen-Blick-Studien-zu-Homeoffice-und-mobiler-Arbeit-28040.htm

 

Nun, seit August 2020 ist die neue Arbeitsschutzregel in Kraft, die die Anforderungen an den Arbeitsschutz während der Pandemie konkretisiert. Ganz oben auf der Liste weiterhin Abstand, Hygiene und Masken. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, dass Beschäftigte ihre Arbeit im Büro ohne Ansteckungsrisiko erledigen können. Staus in der Kantine, vor den Aufzügen oder an der Stechuhr müssen vermieden werden. Ein Grund mehr, die Arbeit von Zuhause aus zu fördern.  Trotz aller Appelle scheinen insbesondere die kleineren und mittelgroßen Unternehmen viel Wert auf eine Präsenz legen. Darüber hinaus stehen staatliche Einrichtungen ganz oben auf der Liste der Office-Verweigerer. Stadtverwaltungen beispielsweise oder z.B. Statistikämter, die eher selten von Bürger*innen besucht werden, sollten die Arbeit ohne physische Präsenz vor Ort erledigen können. Teilweise liegt es an den Ausstattungen, häufig aber am Misstrauen der Verwaltungschefs, die ihren Beamten und Angestellten nicht zutrauen, den Job auch ordentlich daheim zu erledigen.

 

„Bevor der Staat also darüber nachdenkt, per Gesetz die Wirtschaft stärker in die Coronaschutz-Pflicht zu nehmen, sollte er lieber seine eigene Organisation auf Vordermann bringen. Bund, Länder und Gemeinden beschäftigen Hunderttausende von Menschen. Allein das Potenzial lohnt sich fürs Homeoffice zu nutzen. Durch entsprechende digitale Ausrüstung – und die eine oder andere Dienstanweisung von oben. Die öffentliche Verwaltung könnte einen solchen Flexibilisierungsschub auch über die Coronakrise hinaus gut gebrauchen. Und das Geld, das CSU-Chef Markus Söder der Industrie zur Förderung der Heimarbeit nachzuwerfen gedenkt, wäre diesmal wohl besser in die öffentlichen Verwaltung investiert.“
https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-warum-es-fuer-unternehmen-keine-homeoffice-pflicht-geben-sollte/26791074.html?ticket=ST-5511953-ktOODxWpfkqr3W7QUCnA-ap3

Im jüngsten Mobilitätsbericht von Google ist zu lesen, dass Mitte Dezember nur 17 Prozent weniger Menschen in ihren Arbeitsstätten waren als im Januar und Februar 2020, also in der Zeit vor der Pandemie. Im ersten Lockdown blieben wochenlang mehr als 40 Prozent der Beschäftigten ihrem Arbeitsplatz fern. Zur Einordnung: Nach einer Schätzung des Münchner Ifo-Instituts liegt der Anteil der Beschäftigen, die von zu Hause arbeiten könnten, bei 56 Prozent.…..In einer aktuellen Studie zeigen die Mannheimer Volkswirte Harald Fadinger und Jan Schymik und Ifo-Ökonom Victor Alipour, dass Homeoffice die Corona-Infektionen signifikant reduziert. Eine um einen Prozentpunkt höhere Homeoffice-Quote kann demnach die Covid-Infektionsrate um 4 bis 8 Prozent senken. Für ihre Studie glichen sie die verfügbaren Mobilitätsdaten mit den Infektionszahlen der einzelnen Gemeinden ab.“
https://zeitung.faz.net/fas/wirtschaft/2021-01-10/ffbf3889f3db508cb3eac7f8400b5c5f/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

 

Frisöre, Bars, Tattoo-Shops und Schulen bzw. Kitas müssen schließen, nur nicht Büros. Ein Unding, findet u.a. die Grünen-Politikerin Laura Sophie Dornheim und hat daher getwittert, man möge die Büros schließen. Sie erhielt über 500 Zuschriften, in denen die Gründe geschildert wurden, warum die Menschen ins Büro müssen.

„Der Klassiker: Anachronistische Chefinnen oder Chefs, die auf Präsenzarbeit bestehen und Homeoffice für Urlaub halten. Manche Mitarbeiter müssen für einen einzigen Tag Homeoffice schriftlich darlegen, was genau sie zu Hause erledigen werden. Mir wurden Absurditäten geschildert, wo Vorgesetzte auf Präsenz bestehen, weil neue Büroräume bezogen wurden und jetzt gefälligst genutzt werden sollen. Ein Süßigkeitenhersteller hat sämtliche Mitarbeiter, auch im Büro, für systemrelevant erklärt, weil man ja Lebensmittel herstelle.“

(https://www.wiwo.de/erfolg/management/corona-lockdown-in-manchen-bueros-ist-anscheinend-alles-erlaubt/26772610.html)

 

Allerdings wäre es ungerecht, mit dem bösen Finger ausschließlich auf die Arbeitgeber zu zeigen. Manche Mitarbeiter*innen WOLLEN nämlich ins Büro, damit sie von Zuhause wegkommen. Bei einer 75qm-Wohnung mit 2 Kinder im Home-Schooling zzgl. Partner*in ein durchaus verständliches Argument.

 

Doch warum fällt es den Unternehmen so schwer, Home-Office offiziell einzuführen? Andreas Schubert vom internationalen Forschungs- und Beratungsinstitut „Great Place to Work“, „ …. sieht darin häufig auch mangelndes Vertrauen von Seiten der Chefetagen – ein Zeichen für eine veraltete Unternehmensführung. „Es gibt viele Unternehmen, die arbeiten immer noch mit der Präsenzkultur. Nach dem Motto: Wer nicht da ist, der arbeitet auch nicht.“ Stattdessen sei es an der Zeit, die alte Präsenz- durch eine neue Vertrauenskultur zu ersetzen. Auch, um der Gefahr der Entgrenzung vorzubeugen – wenn Menschen im Home-Office rund um die Uhr verfügbar sind.

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/coronavirus-coronakrise-home-office-infektionsschutz-unternehmen-1.5169013?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Angenommen, ein Unternehmen möchte Home-Office zur Normalität werden lassen. Dann reicht es nicht, den Mitarbeiter*innen einen Laptop und ein Handout in die Hand zu drücken. Sie dürfen ein paar Tipps berücksichtigen: 

  • Haben Sie einen Betriebsrat, binden sie diesen von Beginn an in den Diskussions- und Entscheidungsprozesse ein.
  • Schaffen Sie klare Regeln bezgl. der Arbeitszeiten, denn laut diverser Studien gehen extrem flexible Arbeitszeiten häufig zulasten der Beschäftigten.
  • Alle Führungskräfte verpflichten sich, die Arbeitszeiten einzuhalten. Keine Telefonate, keine Mails nach 18:00 Uhr oder am Wochenende.
  • Fragen Sie bei befreundeten Unternehmen nach, welche Erfahrungen diese gemacht haben. Man darf voneinander lernen.
  • Erarbeiten Sie mit den Betroffenen und Beteiligten eine gemeinsame Vision. Entwickeln Sie auf dieser Basis die Rahmenbedingungen für eine Unternehmenskultur.
  • Formalisieren sie die mobile Arbeit durch vertragliche Regelungen. Befragungen von Arbeitnehmern*innen bestätigen die guten Erfahrungen mit solchen Absprachen.
  • Definieren Sie Aufgaben konkret und verbindlich, geben Sie zeitliche Obergrenzen vor und vor allem machen Sie realistische Vorgaben für das Arbeitspensum
  • Stimmen Sie ab, ob und wie die Arbeitszeiten erfasst werden sollen. Vermeiden Sie auf jeden Fall den Einsatz von Überwachungssoftware. Anbieter dieser Softwaren haben aktuell (leider) volle Auftragsbücher.
  • Akzeptieren Sie eine klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit. Achten Sie darauf, dass beides nicht verschwimmt.
  • Sprechen Sie möglichst viel mit dem Mitarbeiter*innen, auch über Themen, die nichts mit dem Job zu tun haben.
  • Vertrauen Sie Ihren Mitarbeiter*innen. Ggf. waren Sie sogar für die Einstellung der Menschen verantwortlich. Oder misstrauen Sie ihrer eigenen Entscheidung?
  • Wenn mal etwas zu Beginn nicht klappt: keep cool. Alles braucht seine Zeit.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Dezentralisierung von Arbeit.

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