Was dezentrale Führung mit Hamsterkäufen zu tun hat

Wir alles haben es mitbekommen oder sind sogar selber davon betroffen: Hamsterkäufe!

Die Amerikaner scheinen den Hinweis, man befände sich im Krieg mit dem Virus, falsch verstanden zu haben und stehen Schlange, um Feuerwaffen jeder Größe zu kaufen. Die Franzosen sehen es image-konform und horten Kondome und Rotwein, die Holländer kaufen in Massen angeblich Käse und „Rauchwaren“ und die Deutschen Mehl und Toilettenpapier. (Das ganze Mehl und die Hefe muss irgendwann „verbrotbackt“ werden, was wird die Bäcker ärgern und die Stromversorger freuen wird).

Einige Psychiater sehen den Grund in Hamsterkäufern darin, dass sich der Mensch vom Tier unterscheidet (was keine neue Erkenntnis ist) und sie sich in Krisenzeiten auf jeden Fall schämen, wenn sie sich nicht säubern können. Nach dem Motto: Wenn ich schon nicht satt bin, dann wenigsten sauber. Weil wir augenscheinlich die Krise nicht beherrschen können, wollen wir aktiv handeln und somit vortäuschen, dass wir einen Plan und irgendetwas im Griff hätten.

Eine andere Aussage eines Psychoanalytikers fand ich bemerkenswert: Bis vor wenigen Wochen haben die Menschen jeden Tag viele Güter produziert, nun stehen die Bänder still. Wenn wir also schon nicht im Betrieb produzieren können, dann doch wenigsten Zuhause. Und für diese Art der „Produktion“ braucht man nun mal Toilettenpapier.

Hinzu kommt die Massenhysterie. Wenn so viele Menschen etwas tun, müssen die doch etwas wissen, was ich nicht weiß. Und wenn die Sozialen Medien über leere Regale berichten, MUSS da doch etwas dran sein. Also mache ich prophylaktisch mit, bevor es zu spät ist. In Krisenzeiten ist Panik angesagt!

Panik ist ein Zustand intensiver Angst vor einer tatsächlichen oder angenommenen Bedrohung und erzeugt starke Stressreaktion. Das Wort leitet sich ab vom griechischen Wald-und Hirtengott Pan ab, der nicht nur als Erfinder der Panflöte gilt, sondern in der Antike durch sein plötzliches Auftauchen die Hirten in „panischen Angst“ versetzte und bei den Tieren eine Massenflucht auslöste.

Das Wort Krise stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutete zunächst ‚Meinung‘, ‚Beurteilung‘, ‚Entscheidung‘ später dann eher ‚Zuspitzung“. Mit einer Krise bezeichnet man i.d.R. den Zenit einer gefährlichen und nicht kalkulierbaren Konfliktentwicklung. Häufig dauern Krisen länger als anfänglich angenommen.

Warum handeln die Menschen nun so, wo doch Politiker*innen nicht müde sind zu erklären, dass die Versorgung der Bevölkerung gesichert ist und Hamsterkäufer nicht notwendig sind? Es liegt an der Glaubwürdigkeit derjenigen, die die Aussagen machen bzw. an dem Misstrauen deren, die die Aussagen hören. Glaubwürdigkeit ist ein Maß der Bereitschaft des Empfängers, die Aussage des Senders als gültig zu akzeptieren. Erst im Weiteren wird der Person und ihren Handlungen Glauben geschenkt. Und jetzt erinnern wir uns, was uns zu Beginn der Pandemie die Politiker*innen gesagt haben:

  • Wir haben Pandemiepläne in der Schublade
  • Die medizinische Versorgung ist sichergestellt
  • Wir habe die höchste Krankenhausdichte
  • Wir haben viele tausend Intensivbetten
  • Wir sind sehr gut vorbereitet
  • Niemand muss sich Sorgen machen

Mit zunehmender Pandemie-Entwicklung stellen wir fest, dass die erlebte Realität nicht zu den Versprechungen passt. Die Pandemiepläne gibt es zwar, doch sie wurden nie belastbar geprobt. Die Intensivbetten reichen, aber nur wenn es keinen Krankheits-Peak gibt. Die medizinische Versorgung ist zwar sichergestellt, aber die Ärzte und Pflegekräfte werden a) selber krank und b) schaffen keine 24-Stundendienste 7 Tage pro Woche. Mit anderen Worten: Unserer erlebte Realität passt nicht zu den Versprechen der Politiker*innen. Dadurch verlieren die Politiker an Glaubwürdigkeit und es wundert nicht, dass die Menschen aufgrund der Aussage „Unsere Lebensmittelversorgung ist gesichert, sie müssen nicht hamstern“ genau das Gegenteil tun und in das nächste Lebensmittelgeschäft rennen. Grund: Mangelnde Glaubwürdigkeit führt zu Misstrauen und damit zu panischem Handeln. Durch das Hamstern bekommen wir das Gefühl, unabhängig von den Politiker-Versprechungen zu sein und alles im Griff zu haben.

Auf eine Formel gebracht sieht das so aus: Versprechen – Erlebte Realität = Misstrauen
Bedeutet: Große Versprechungen mit einer geringen erlebten Realität sorgen für großen Misstrauen.
Das Ergebnis von hohem Misstrauen bedeutet Angst und Panikhandlungen, also
Misstrauen = Angst + Panikhandlung
Setzt man die Formeln zusammen, dann sieht es so aus:
Versprechen – Erlebte Realität = Angst + Panikhandlung

Und damit schließt sich der Kreis von Hamsterkäufen und Führung. Die allgemeingültigen Führungsversprechen, dass
⦁ man für die Mitarbeiter*innen da ist,
⦁ man Vertrauen hat,
⦁ die Mitarbeiter*innen selbständig Entscheidungen fällen dürfen,
⦁ man als Führungskraft immer erreichbar ist,
⦁ sich die Mitarbeiter*innen selber organisieren sollen,
⦁ ….
sind so gut, wie sie authentisch in der Realität erlebt werden. Besonders jetzt, wo klassische Präsenzführung aufgrund von Home-Office nicht mehr möglich ist. Wer als Führungskraft aktuell Sorgen hat, dass die Mitarbeiter*innen unproduktiv sind, sich nicht organisieren können, im Home-Office unkonzentriert arbeiten, hat langfristig ein Problem. Wer unter Machtverlust und Verlustaversion leidet und nun versucht, die Menschen im Home-Office zu kontrollieren und nicht die Prozesse dezentral zu steuern, wird über COVID-19 hinaus an Glaubwürdigkeit verlieren.

Mitarbeiter*innen bewerten die Führungskraft danach, was sie tun und nicht danach, was sie sagen. Diejenigen Führungskräfte, die auch schon in der Vergangenheit auf agile Führungs-Methoden und –Strukturen gesetzt haben, haben es nun deutlich einfacher. Alle anderen haben jetzt die Chance, langfristig für Glaubwürdigkeit zu sorgen um somit auch langfristig mit engagierten und motovierten Mitarbeiter*innen arbeiten zu können.

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